Biographie OMG-Alphabet

A-BOPA

„A-bopa, damit meint man alles, was einem rechtschaffenen Menschen das Leben verbittern kann ... Mit einem Wort, die ganzen Widerwärtigkeiten vom Staat, von den Ämtern, vom Gericht und der Polizei [...] Auf sowas muß man sich nicht einlassen.“(Unruhe, Kap. 2) Der geheimnisvolle Leitbegriff des Schusters Kraus, geht zurück auf die phonetische Umschrift von französisch Embonpoint, das ist der Schmerbauch, die Leibesfülle – ein seit Grafs Jugend verhasstes Attribut von Amtspersonen; vgl. den Kommissar in Gefangene: Not litt er nicht, das konnte man schon an seiner schönen Körperfülle sehen, und wie er sich über mich erhob und scheinbar befriedigt war von seiner Macht. So etwas regte mich von jeher an einem Menschen auf. (Gefangene II, Kap. 14)

ANARCHIE

‚Der Anarchist’ hieß ich überall. ‚Selbsthilfe’ war meine neue Lehre. (Gefangene II, Kap.21) Immer losgehen, einfach losgehen! So fing alles bei mir an und hörte auf.– (Gefangene II, Kap. 17)
Vom väterlich-waldensischen Erbe her war Graf zu widerständigem Verhalten prädestiniert. Seine Begegnungen mit der Schwabinger Bohème, den Lebensreformern am Monte Verità, Erich Mühsams Gruppe TAT und seine Lektüre von Gustav Landauers Schriften, Max Stirners „Der Einzige und sein Eigentum“ bis hin zu Leo Tolstois Verweigerungshaltung mündeten in ein weites Spektrum spontaner Aktionen, die eine eindeutige Definition des Begriffs ausschließen.

ANTIBAVARISMUS

Während sich zum Beispiel die Juden mit vollem Recht und natürlicher Selbstverständlichkeit ganz entschieden gegen jeden Antisemitismus wehren, reagieren wir geschäftstüchtigen, animalisch gefallsüchtigen Bayern gegen den von uns selbst geschaffenen Antibavarismus völlig entgegengesetzt. Wir hegen und pflegen, hätscheln und steigern ihn, damit uns nur ja die ganze Welt als ein Volk von ‚blöden Seppln’ ansieht. (Gelächter, Kap. 7)
Den Begriff ‚Bayern’ [setzt man] mit einem gewissen schmunzelnden Behagen von oben herab mit ‚Bier, simpler Grobheit und drolligem Dialekte’ gleich. (Dem Gedenken Ludwig Thomas. In: Tagen)

BAYERN

Für den Altbayern, der seit ewiger Zeit fast blutsmäßig katholisch-demokratisch ist, sind heutige Hitleristen auch nichts anderes mehr als „niederträchtige Spartakisten“, die das Land ausräubern, den Glauben abschaffen und friedfertige Menschen ruinieren wollen.
(Bayrische Dämmerung. Von einem Münchner. In: Dietz/Pfanner S. 61).
„Wo sollte ich denn anders hingehen als nach Bayern, wo ich zwar landschaftlich , aber politisch gar nicht hingehöre!!“(an R. A. Dietrich 29.4.1950)

CHRISTENTUM

Hat das Christentum, das für die Römer nichts anderes war als für uns heutige westliche Menschen der Bolschewismus, nicht eine viel langlebigere, aber genau gleiche Diktatur wie die Stalinistische überlitten und sich mit einer ihm entgegenstehenden, zerfallenen Gesellschaft verschmolzen. Und war es nicht dieses Christentum, das die ganze Menschheit grundlegend verändert und ihr neue moralisch-geistige Impulse gegeben hat?!- (Der Moralist als Wurzel der Diktatur. In: Exil-Reden S. 342)

DEUTSCHLAND nach 1945

Natürlich nimmt man mir überall übel, daß ich in der Ostzone veröffentliche, aber was schert mich das – ich anerkenne die Zonen so wenig wie Thomas Mann, ich sehe nur die eine Möglichkeit für uns jetzigen deutschen [sic] Schriftsteller: An den deutschen Leser, wo immer er sich befinden mag, heranzukommen.(An H. Hartung 24.11.1950)

DIALEKT

Der Dialekt vernichtet mit wenig Worten alle unechten Übertriebenheiten und verweist uns immer wieder in die natürlichen Grenzen. [...] Jeder Dialekt, und unser altbayrischer ganz besonders, hat eine schier bestürzende Kraft des respektlosen Profanierens. Es ist auch ein ganzer Haufen Bosheit dareingemischt, gegen deren spezifische Direktheit kein Witz, keine Schlagfertigkeit aufkommt. (Unser Dialekt und der Existentialismus. In: Tagen)

EHRLICHKEIT

Ich gehe, das ist mir ganz gleich, wer er ist (eine Dirne, oder eine unbefleckte Bürgerstochter, ein ehrsamer Arbeiter, oder ein Strolch) zu jedem und bin ihm gegenüber ehrlich , ich sehe es für eine der größten Gemeinheiten an, jeden nicht ganz zu begreifen - ihn bessern zu wollen. (An Hanna Romacker 12.11.1915)

EISNER

Rührend war es, wie man kurze Tage darauf Eisner begrub. [...] Es war wirklich, als das letzte Hoch auf die Revolution erschallte, als schrie die Erde selber.(Gefangene II, Kap.22)

EXIL

Nirgends stirbt die Illusion des Außergewöhnlichen schneller als in der Emigration. (Abgrund II, Kap. 5)
Die Emigration ist eine erbarmungslose Dreschmaschine. Staub verfliegt, die Körner bleiben, und ein Korn wird hundert. (Abgrund Schlusssätze des Buches)
Die Zahl der Selbstmörder im Exil ist beträchtlich. Die wenigsten davon waren politisch Enttäuschte [...] Kurt Tucholsky, Ernst Toller, Stefan Zweig und zuletzt noch der unglückliche Klaus Mann [...] sie waren Gefangene ihrer Sprache wie jeder von uns. Die Sprache, in die wir hineingeboren werden, formt unser Denken zeitlebens. (Die deutsche Literatur ist unteilbar. In: Tagen)

FEIERN

Meine Atelierfeste wurden nach und nach geradezu etwas Merkantiles, und man sprach in Berlin, in Hamburg, in Köln und Frankfurt darüber. [...] Ich kam aus dem Halbrausch und dem vernebelten Taumel kaum mehr heraus und tobte wie ein ungeschlachter Bär durch die eng aneinandergepreßten Tanzenden im überfüllten Atelier herum. (Gelächter, Kap. 12) Ich treffe auch nur Landsleute und kann noch kein Wort Englisch [...] Du siehst, ich bin unmöglich für jede Art Betrieb, höchstens für feuchtfröhliche Tischrunden, die ich denn auch noch immer wacker besuche. (An R. A. Dietrich 29.4.1950)

FRAUEN

In dieser kleinen Gastwirtschaft begann buchstäblich die Bayrische Revolution. [...] Was saß denn da neben [...] Kurt Eisner? Vier oder fünf ganz Getreue [...] und vor allem kriegsmüde Proletarierinnen, Frauen mit ausgemergelten Gesichtern, zerarbeiteten Händen und entschlossenen Augen. Sie waren eigentlich die Nüchternsten, die Mutigsten [...] Sie waren die ersten, die in München, in jenem grauenvollen Kriegswinter, die ersten Hungerdemonstrationen wagten [...]. (Theresienwiese November 1918. Eine Erinnerung an Felix Fechenbach. In: Süddeutsche Zeitung 9. Nov. 1968)

In der Zeit nach der Revolution liefert OMG als Schieber ein Spanferkel bei einer reichen Kundschaft ab.
Ein nicht sehr großes, stark nach Parfüm riechendes, luxuriös eingerichtetes Zimmer mit alten Stichen an den Wänden, dunklen Biedermeiermöbeln und roten Plüschfauteuils empfing mich. Aber das alles sah ich nicht. Ich roch nur und glotzte jäh auf eine leicht rundliche dunkelhaarige Frau, die in einem wuchernden Spitzengewirr, nur lose von einem leuchtenden Schlafrock umschlossen, auf dem Diwan lag.
„Gu-guten Abend“, stotterte ich befangen und ließ mein Ferkel mechanisch auf den niederen runden Rauchtisch fallen. Merkwürdig, wie immer, wenn etwas so unerwartet Überraschendes geschah, verlor ich auch diesmal vollkommen meine Fassung und die sonstige Unverfrorenheit den Schwabinger Mädchen gegenüber.
„Ach, Herr Graf! Sie haben wirklich ein richtiges Spanferkel für mich. Das ist aber nett!“ sagte die Dame. Ich starrte nur kalbgroß in ihr freundlich lächelndes, wunderbar zurechtgepudertes Gesicht, brachte kein Wort heraus und schluckte trocken. „Ein Spanferkel! Herrlich!“ sagte sie wiederum und strich ihr schwarzes Haar zurück. Meine Augen verschlangen ihre wohlformierten bleichen Arme und den freigebig gezeigten alabasterweißen Ansatz ihrer vollen Brust. Herrgott! Herrgott! jagte es siedheiß, wie stechend in mein Hirn. Herrgott, pfeif’ auf Spanferkel und Wolf und alles, Mensch! Hin und hinauf auf sie!
„Ist’s auch ganz frisch, das Ferkelchen, ganz frisch, ja?“ hörte ich sie wieder sagen, und zwar so aufreizend zärtlich, daß ich fast schwindelte. Und dazu noch ihr glanzfunkelndes Anschauen! Mir rann der Schweiß aus den Achselhöhlen. Ich wußte nicht, ob ich nickte oder eine Antwort gab.
„Hat’s denn so geschneit, so stark? Frieren Sie?“ fragte sie und richtete sich halb auf dem Diwan auf, griff nach dem rosigen Ding da auf dem Tisch, dessen braunes Einwickelpapier geplatzt war, betupfte es mit ihren beringten, spitznageligen Fingern und nahm die nasse Papierhülle ganz ab: “Schön, sehr schön!“ Das war ganz und gar arg. Ihr Schlafrock war auseinandergeklafft, und der Atem blieb mir stehen. Jetzt, jetzt los, los auf sie! hämmerte es gleichsam in meinen Schläfen und in der Herzgegend. Mit entsetzlicher Unbefangenheit hob sie ihr Gesicht und fragte wieder so lächelnd: „Und was soll’s denn kosten?“
„Vierhundert!“ preßte ich heraus und konnte es nicht mehr aushalten. Meine Finger spreizten sich schon, meine Beine spannten sich bereits zum Sprung. (Gelächter, Kap.5)

Die anonym erschienene Sammlung Altmodische Gedichte eines Dutzendmenschen (Frankfurt 1962) enthält 14 Gedichte unter dem Gruppentitel Mädchen – Frauen – Liebe.

GELD

Seit meiner frühesten Jugend war ich geldgierig und trachtete von jeher danach, möglichst reich zu werden, nicht um zu haben, sondern um zu verschwenden. Das Geld war doch schließlich zu nichts anderem da als zum Verschwenden. (Gefangene II, Kap. 1)

GRUPPE 47

An die jetzigen ‚linken’, ach so kühn schreibenden westdeutschen Schriftsteller darf ich nicht denken, da bewölkt sich alles in mir. Was für erbärmliche komische Käuze [...] ohne den geringsten Sinn für das Selbstverständliche, nämlich als Intellektuelle aufs riskanteste gegen den unbeschreiblich niedrigen Ausrottungszug gegen Vietnam zu wirken – was tun sie? Sie sagen nicht wie Sartre ihr entschiedenes Nein zu diesem verlogenen Schwindel und weigern sich nicht, nach USA zu kommen, o, nein, sie gieren danach als Gruppe 47 und PEN-Club, nun endlich auch nach USA zu kommen [...] und auf idiotischen Banketten und Parties zu glänzen. (An M. Guttenbrunner 6.3. 1966)

HEIMAT

Die Heimat ist nur da, wo unsere Freunde sind. Ich merke das, je älter ich werde, immer mehr. Nach meiner ‚Heimat’ zieht mich höchstenfalls noch manchmal die vage Erinnerung an eine Landschaft; die Menschen und das ganze Getriebe dort entfernen sich von Tag zu Tag ganz in einen Nebel. (An G. u. E. Fischer 16.12.1954)

INTELLEKTUELL

Was sich heutzutage als ‚intellektuell’ bezeichnet ist nichts anderes als eine Perversion des Verstandes. Wissen und Kenntnisse sind hypertrophiert und eigentlich nur noch dazu da, um unverbindlich mit ihnen zu prahlen. Nur der Weise beschränkt sich darauf, aus eigenem Nachdenken und ernster Erfahrung verbindliche Erkenntnisse zu gewinnen, denen er nachzuleben versucht. (Gedanken und Aufzeichnungen. In: Exil-Reden S. 414f.)

JUNG, FRANZ

Jung ist für mich nicht nur ein echter, kaum wegdenkbarer Freund, er hat zuviel Entscheidendes in mir hervorgerufen. [...] er hat das Leiden meiner ganzen Generation gelitten und hat viele Anstrengungen gemacht (schriftstellerisch, politisch und menschlich), um sich zu beweisen vor einer erbarmungslosen Welt. (An R. Warnecke 9.5.1957)

KATHOLIZITÄT

Erstaunlich für mich war auch, daß sich Ihre Katholizität, die als Grundhaltung wohl auch die meine ist, in all dem Schrecklichen, was wir mit machen mußten, eher gestärkt als geschwächt hat, während die meine schon durch zuviel Zweifel, Glaubensunabhängigkeit und Verzweiflung kaum mehr erkennbar ist. (An Heinrich Böll 8.12.1962)

KÖNIG LUDWIG II.

„So ein König, das war wirklich ein Kapital.“ (Chronik von Flechting, Kap. Unerforschlich sind des Schicksals Wege)

LEDERHOSE

Sie [gemeint sind die für die Münchner Kultur Verantwortlichen] meinen wohl, mich absolut als ‚Heimatdichter’ abzutun, ich wills ihnen demnach auch lederhosenmäßig demonstrieren und vorlesungsmäßig verderben. (An H. Hartung 30.7.1958)
So sehr er bei seiner ersten Reise nach München auf seinen Lederhosen bestanden hatte, für sein literarisches Comeback suchte er jetzt das Image des ‚Seppl’ zu korrigieren. (Bauer 378)

MASSE

Die Masse macht es nicht! Der Einzelne muß es machen! [Gefangene I, Kap. 17]
Ein Mensch – gewaltsam in eine Masse gezwängt – verliert spielend leicht sein bißchen Willen, läßt sich gewissermaßen schieben und denkt mit der Zeit an überhaupt nichts mehr anderes als an den nächsten Augenblick. In der Kaserne,
im Feld und im Irrenhaus war es so gewesen: Es ging einen gar nichts an. Und so etwas macht sich der Massenmensch schnell zu nutze ... und sein einziges Trachten ist: Wie erschnappst du den erträglichsten Posten und das meiste Essen.
[Gefangene II, Kap. 1]

MENSCH

Der Mensch ist das fragwürdigste aller Lebewesen. Einzeln bleibt er immer feig und bequem. Nur aus Irrtum und Zufall oder in der Masse wird er manchmal zum Helden. Ohne jede persönliche Gefährdung einen Stimmzettel abzugeben, dazu gehört blutwenig Mut. (Abgrund I, Kap. 12)

NEW YORK

Ich war zu keiner Zeit Patriot, und ein Nationalist schon überhaupt nie. Das hat sich in Amerika nicht geändert, aber ich liebe New York, weil es jene Wunschstadt ist, die ich immer gesucht habe: im Kleinen ein Abbild in Frieden vereinigter Nationen. Als phlegmatisch-seßhafter Mensch schätze ich hier besonders die ungestörte Anonymität. (Was mich abhält, nach Deutschland zurückzukehren. In: Exil-Reden S. 377). – Vgl. OMGs Gedicht „Hymne auf New York“.

OSKAR

‚Oskar Graf-Berg? Das ist profan! Heiß dich doch einfach Oskar Maria Graf.’ (Gefangene I, Kap.8)
Das ist der Rat von Carlo Holzer, einem Künstlerfreund, nachdem die Namensgleichheit einen Münchner Kriegsmaler Oskar Graf in Verlegenheit gebracht hatte; der durfte nichts Kritisches über den Krieg schreiben und bewegte den angehenden Dichter gegen gute Angebote zur Namensänderung. Eine ausgeschmückte Version der Umtaufe findet sich in
Gelächter, Kap. 2.

PROLETARIER

Das Gefühl internationaler Verbundenheit aller Proletarier, die Solidarität schien bei vielen dieser emigrierten Deutschen ausgelöscht zu sein. Jeder war mehr oder weniger ein haltlos dahintreibendes Menschenwrack. (Abgrund II, Kap. 2)

PROVOKATION

Ich provoziere stets, wenn ichs für richtig finde, manchmal aus reiner Lust, um den Haufen der Witzlosen und Voreingenommenen zu schockieren. (An W. v. Knoeringen 31.10.1964)

QUASTERL

Das Nachfolgende ist nichts als die Erinnerung an den ersten Proletarier, der mir in meinem Leben begegnet ist. Ich verdanke, wenn ich jetzt, nach langen, langen Jahren darüber nachdenke, dieser damaligen Begegnung so viel, daß ich zuweilen glaube, sie sei das Grundlegende und Bestimmende meiner späteren Anschauung und Gesinnung gewesen. (Der erste Proletarier mit dem Spitznamen Quasterl ist ein Vetter OMGs; er steht im Zentrum einer 1937 in Thomas Manns Zeitschrift „Maß und Wert“ erschienenen, hochdeutsch geschriebenen, vielfach nachgedruckten Erzählung.)

REALISMUS

Gerade weil ich das Buch [Wir sind Gefangene] in der Ichform schrieb, forderte ich euch und forderte ich alle heraus, denn mir kam und kommt es immer beim Schreiben darauf an, den Menschen darzustellen, wie er in Wirklichkeit ist, mit all seinen Schwächen, seinem Dreck, seiner Verlogenheit und all seinen inneren und äußeren Hemmnissen. (Antwort an einen und viele Genossen. In: Dietz/Pfanner S. 28)

REVOLUTION

Uns kann nur die Revolution retten! (Gefangene II Kap. 13)
Diese Münchner Revolution war ein Gaudium für ihre Gegner. (Gefangene II Kap. 19)
Noja, Genossen, machn mir hoit a Revolution, daß a Ruah is – !(Gelächter Kap. 4)
Das letzte Zitat ist die Losung von Seppi, dessen Radikalismus ihn schließlich zu einem Nazi werden ließ.

SCHMALZERHANS

Seht, da kommt der Schmalzerhans! Ah, der Schmalzerhans, der Johann Baur, unser Gemeindediener und Nachtwächter?! Der Schmalzerhans ist eine Erzählung, die OMG in verschiedene Sammlungen aufgenommen hat. – Er ist ein gegen Besitz und Ruf gleichgültiger Dorftrottel und taucht auch in umfangreicheren Texten OMGs auf; ihm gehört die Sympathie der ganzen Familie Graf.

SELBSTKRITIK

Ich habe nie ein Hehl daraus gemacht, das der Abgrund als Kunstwerk nicht ganz gelungen ist. Es fehlt ihm die nötige Geschlossenheit, auch hat jeder recht, der, wie Du sagt, es liefen viele Berichte nebenher [...] Auch ich halte Sittinger für wirklich rund und gelungen.(An F. Erpenbeck 26.10.1937)

SPRACHE

Ich lerne jetzt schon wochenlang Englisch, aber glaubst Du, ich komme weiter? Ausgeschlossen. Ich glaub, daß ichs nie kapiere. Das kommt wohl auch davon, weil ich all diese lateinische Ausdrücke wie ‚Verb’, ‚Adverb’ und Maskulinum und was weiß ich, nicht in unserer Dorfschule gelernt habe. Es wird aber auch daher kommen, weil ich zu wenig unter Amerikaner komme, und zum dritten endlich – weil ich einfach in der Gefangenschaft der deutschen Sprache als Schriftsteller bleibe. (An Kurt Kersten 14.4.1943)

TENDENZ

Tendenz hin oder her. Literatur ist: das Wissen um den Menschen und das Wissen um die Hintergründe der Welt vermehren. (Antwort an einen und viele Genossen. In: Dietz/Pfanner S. 28)

TÜCHTIGKEIT

Schauen wir bloß, daß wir niemals tüchtige Menschen werden, das Tüchtige ist grauenhaft. (An E. und G. Fischer 3.9.1946)

UA-PUA

Ich schrieb und schrieb [...] ich schrieb, was mir gerade einfiel, sogar Indianerdichtungen in Vers und gehobener Prosa, ohne die geringste Ahnung vom Leben dieser Rothäute zu haben; und ein Verleger brachte sie heraus. (Gelächter, Kap. 12)
Wie öfter in der späten Autobiographie macht OMG sich über seine frühe Zeit lustig. In Ua – Pua . . ! greift OMG – wie auch die Widmung verrät – auf Karl-May-Lektüre und Kinderspiele mit den Geschwistern zurück, die in Der Quasterl eingehend geschildert sind.

VALENTIN, KARL

Er war der stärkste Selbstdarsteller menschlicher Unzulänglichkeiten [...] Man möchte wirklich wünschen, aus dem tiefsten Herzensgrund wünschen, daß das besondere Fluidum, das von Karl Valentin ausging, der kommende Geist des zukünftigen Münchens würde. (München verlor etwas Unwiederbringliches. In: Tagen)

VOLK

Ich schreibe ja nicht für Kritiker, Dichterkollegen und Intellektuelle, sondern für das Volk. Und dieses Volk ist etwas anderes wie die Bevölkerung, es setzt sich, so meine ich wenigstens, zusammen aus Genossen, während die Bevölkerung immer Mischmasch ist. (Antwort an einen und viele Genossen. In: Dietz/Pfanner S. 27)

WALDENSER

Ohne Fanatismus, nur wirksam durch ihr beispielgebendes, tätiges Christentum, traten die Waldenser gegen das leere Dogma der Kirche auf. Nachweislich hat das unduldsame Papsttum, dem an dieser Bewegung insbesondere der soziale Charakter gefährlich erschien, über 200 Jahre gebraucht, um sie gänzlich auszurotten. (Mutter I, Nochmalige Beschwörung.)
Der junge OMG las mit erregten Sinnen die Geschichte seiner auf französische Ketzer aus dem 12. und 13. Jahrhundert zurückgehenden väterlichen Vorfahren.

XAVER

Der Xaverl sagte gar nichts und musterte bloß in einem fort das stramme Weiberts von oben bis unten. Ganz bärig war er schon.(Dekameron, Die Ausgeschmierten.) Der in Bayern besonders häufige, bei OMG jedoch seltene Name hebt – sonst bliebe eine Leerstelle im Alphabet – auch noch jenes Buch in die Zitatauswahl, das OMG zwar das meiste Geld einbrachte, das er aber auch bereute geschrieben zu haben.

YORKVILLE

OMG wohnte von 1938 bis zu seinem Tod im Norden Manhattans; sein 1943 gegründeter wöchentlicher Stammtisch war im Ostteil von Manhattan, in Yorkville, auch „German town“ genannt, d.h. in einem von vielen Deutschen besiedelten Viertel (Vgl. die Nachweise zu Stammtisch bei Bauer).

ZEIT

Ich habe stets nach irgendeinem äußeren Ortswechsel sehr, sehr lange gebraucht, ja, der neue Ort [...] mußte erst durch mich wieder den Ruch, die Gestimmtheit und die Färbung der Heimat bekommen, ehe ich wieder arbeiten konnte [...]. Das alles aber braucht Zeit. Die habe ich mit meinen 68 Jahren nicht mehr, um nach einer ‚Heimkehr’ endlich wieder genauso ruhig schaffen zu können. (Was mich abhält, nach Deutschland zurückzukehren. In: Dietz/Pfanner S.49) Nachts so wach liegen, wenn’s immer stiller und stiller wird, ist gefährlich. Auf einmal merkt man, wie unwichtig, wie lächerlich wichtigtuerisch man sein bißchen Leben vergeudet. Ganz kleinweise und quälend kommt man hinter seine Jämmerlichkeit. (Gefangene II, Kap.15)



Graf-Texte sind recte, Kommentare kursiv gesetzt. Die Quellen sind durch Kennworte aus den Titeln zu ermitteln bzw. unten angegeben.

Außer den Werken OMGs wurden zitiert:

Wolfgang Dietz und Helmut F. Pfanner:
Oskar Maria Graf. Beschreibung eines Volksschriftstellers. München 1974.

Gerhard Bauer, Gefangenschaft und Lebenslust. Oskar Maria Graf in seiner Zeit. München 1987. – Taschenbuchausgabe (dtv) G.B.: Oskar Maria Graf. Ein rücksichtslos gelebtes Leben. Vom Autor durchgesehene und aktualisierte Ausgabe. München 1994.