Werk - Ausgewählte Texte

Ab September 1933 bis August 1935 redigierte OMG zusammen mit Wieland Herzfelde, Anna Seghers und Jan Petersen (anonym) die von Grete Weiskopf (Prag) herausgegebene Monatsschrift Neue deutsche Blätter, das zweite Journal deutscher Exilautoren nach Klaus Manns Sammlung. Die erste Nummer eröffnete der folgende Text:

RÜCKBLICK UND AUSBLICK

Wer schreibt, handelt. Die “Neuen Deutschen Blätter“ wollen ihre Mitarbeiter zu gemeinsamen Handlungen zusammenfassen. Sie wollen mit den Mitteln des dichterischen und kritischen Wortes den Faschismus bekämpfen.
In Deutschland wüten die Nationalsozialisten. Wir befinden uns im Kriegszustand. Es gibt keine Neutralität. Für niemand. Am wenigsten für den Schriftsteller. Auch wer schweigt, nimmt Teil am Kampf. Wer, erschreckt und betäubt von den Ereignissen, in ein nur-privates Dasein flieht, wer die Waffe des Wortes als Spielzeug oder Schmuck verwendet, wer abgeklärt resigniert, – der verdammt sich selbst zu sozialer und künstlerischer Unfruchtbarkeit und räumt dem Gegner das Feld.
Wer wirklich sieht, was ist, wird überall, in allen Erscheinungen unsres Lebens, die Züge des Gesamtgeschehens aufspüren. Deshalb wird man in den „Neuen Deutschen Blättern“ nicht etwa nur Pamphlet, Anklage, Aufschrei finden, sondern Literatur jeglicher Art. Gerade dadurch wollen wir vor der Weltöffentlichkeit beweisen, daß nicht zufällig fast alle Vertreter des literarischen Deutschland entschiedene Gegner des „Dritten Reiches“ sind, und daß die Hakenkreuz-Literatur (auch „reine“ Lyrik, auch die unpolemischste Prosa) nicht zufällig ein ebenso erbärmliches Surrogat ist wie der Wortschwall der „Führer“. Schrifttum von Rang kann heute nur antifaschistisch sein.

Gewiß, die Zusammengehörigkeit der antifaschistischen Schriftsteller ist noch problematisch. Viele sehen im Faschismus einen Anachronismus, ein Intermezzo, eine Rückkehr zu mittelalterlicher Barbarei; andere sprechen von einer Geisteskrankheit der Deutschen, oder von einer Anomalie, die dem „richtigen“ Ablauf des historischen Geschehens widerspreche; sie verwünschen die Nationalsozialisten als ein Horde verkrachter „Existenzen“, die urplötzlich das Land überlistet haben. Wir dagegen sehen im Faschismus keine zufällige Form sondern das organische Produkt des todkranken Kapitalismus. Ist da nicht jeder Versuch, liberalistisch-demokratische Verhältnisse wiederherzustellen, ein Verzicht darauf, das Übel mit der Wurzel auszurotten? Ist nicht jeder Kampf, der nur der Form gilt, im Grunde ein Scheinkampf? Gibt es eine andere reale Kraft, die den endgültigen Sieg über Not und Tyrannei zu erringen vermag, als das Proletariat? Wir sind überzeugt, daß die richtige Beantwortung dieser Fragen gerade auch für den Schriftsteller bedeutungsvoll ist, denn die Wahrhaftigkeit der Darstellung und sogar die formale Qualität der Literatur hängen ab von der Tiefe des Wissens um das gesamte Geschehen und seine Ursachen. Das ist unsere Meinung. Aber nichts liegt uns ferner, als unsere Mitarbeiter „gleichschalten“ zu wollen. Wir wollen den Prozeß der Klärung, der Loslösung von alten Vorstellungen, des Suchens nach dem Ausweg durch gemeinsame Arbeit und kameradschaftliche Auseinandersetzung fördern und vertiefen. Wir werden alle – auch wenn ihre sonstigen Überzeugungen nicht die unseren sind – zu Wort kommen lassen, wenn sie nur gewillt sind, mit uns zu kämpfen.

Diese Zeitschrift enthält einen „Die Stimme aus Deutschland“ genannten Teil. Er ist zwischen die übrigen Teile geschaltet, wie Deutschland zwischen die deutschsprachigen Gebiete seiner Nachbarländer. Eine illegale Redaktion vermittelt die Beiträge. Nennt allen, die nach Deutschland fahren, unsere Adresse damit die dort entstehende antifaschistische Literatur an die „Neuen deutschen Blätter“ gelangt. Die Redaktion